Felix ist Softwareentwickler und hat bis vor kurzem für die bevuta mit am JUICE-Projekt des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen gearbeitet. Dabei entwickelte er mit am Submillimetre Wave Instrument (SWI), das die Jupiter-Atmosphäre untersuchen und seine Monde und Ringe charakterisieren wird. Anders als alle anderen unserer Kollegen und Kolleginnen war er währenddessen nicht Teil eines Projektteams bei der bevuta, sondern arbeitete direkt im MPS-Team. Mit den bevuta-Kolleg*innen gemeinsam hat er aber, dass er größtenteils von zu Hause aus arbeitet. Und dass er diese Form der Arbeit sehr zu schätzen gelernt hat.

Im Interview erzählt Felix von Selbstdisziplin, fokussiertem Arbeiten und der Abrechnung intellektueller Arbeit.

Du arbeitest schon seit ein paar Jahren bei der bevuta. Hast du erstmal im Büro vor Ort angefangen?

Nein, ich habe eigentlich immer von zu Hause aus gearbeitet. Angefangen habe ich beim Projekt sayHEY mit gelegentlichen Besuchen in Köln, aber der Großteil meiner Arbeit fand immer remote statt. Meine direkten Kollegen und Kolleginnen habe ich nach und nach kennengelernt, sodass ich irgendwann zumindest zu jedem Teammitglied ein Gesicht vor Augen hatte.

Inzwischen habe ich mich an Remote Work gewöhnt und muss sagen, dass mir das sehr liegt. Es macht mich zeitlich unabhängiger, ich muss mich nicht an Bürozeiten halten, kann fast jederzeit mal "was erledigen" und kann meinen Arbeitsrhythmus meiner momentanen Verfassung und meinem eigenen Biorhythmus anpassen.

Wenn du von Anfang an remote gearbeitet hast: Wie war der Onboarding-Prozess für dich? Wie hast du Anschluss ans Team gefunden?

Bei sayHEY wuchs das Team eher langsam, da war der Einstieg relativ einfach, vor allem, weil ich in der Anfangsphase auch noch relativ oft in Köln war. Das hat sich dann langsam immer mehr auf Remote-Arbeit verlagert.

Im letzten Projekt in Göttingen besuchte ich bisher meistens einen Tag pro Woche das Institut, um zum Beispiel Tests an der Hardware zu machen oder an Meetings teilzunehmen. Das lag mir ganz gut, da es den Kontakt mit Projektmitarbeitern dort und dem Management gehalten hat.

Mehr als einen Tag erlebe ich allerdings schon als anstrengend. Konzentration und Fokus erscheinen mir beim Arbeiten von zu Hause wesentlich höher, ich erlebe weniger Störungen und ein bequemeres Umfeld. Die Termine vor Ort sind für mich in erster Linie zur Verbesserung des sozialen Klimas und zur Kontaktpflege da, was gerade in einer großen Institution wie dem MPS wichtig ist, die zu Anonymität neigt und wo viel Kommunikation informell erfolgt. Wenn Remote-Arbeit zum Alltag gehört, wie in der bevuta, ist der Austausch wichtiger Informationen besser eingespielt und funktioniert auch ohne die Termine vor Ort. Häufig aucht schlicht und einfach deshalb, weil mehr Kompetenz in der Online-Kommunikation vorhanden ist.

Welche sozialen Faktoren verändern sich zum Beispiel durch das Arbeiten von zu Hause?

Gerade am Anfang tendierte ich dazu, mich ein bisschen von Kollegen und Kolleginnen zu "entfremden". Das heißt, ich wurde schnell ungeduldig und unfreundlich, wenn die Dinge nicht so liefen, wie ich mir das vorstellte. Wenn man nur noch über Chat oder Mail kommuniziert, verliert man schnell den Menschen aus den Augen, der sich hinter dem Nickname versteckt. Das muss ich mir immer wieder sagen, wenn der persönliche Kontakt, der etwas mehr Vertrauen herstellt, einfach nicht da ist (oder zumindest nicht genügend).

Wenn man nur noch über Chat oder Mail kommuniziert, verliert man schnell den Menschen aus den Augen, der sich hinter dem Nickname versteckt. #RemoteTeamwork

Hast du regelmäßige Arbeitszeiten?

Ich schlafe lang und gehe spät ins Bett. Dadurch habe ich keinen besonders rigiden Rhythmus. Vormittags und spät abends sind meine produktivsten Zeiten und ich handhabe das eher locker, weniger abhängig von der Uhrzeit, solange ich meine Arbeitsstunden einhalte, denn meiner Erfahrung nach vermischt sich Arbeit und Privates in diesem Arbeitsmodus sehr stark.

Welche Vorteile der Remote Work genießt du am meisten?

Ich genieße es, zeitlich flexibel zu sein und keinem künstlichen "Biorythmus" folgen zu müssen. Außerdem arbeite ich ruhiger und konzentrierter, wenn ich alleine und ungestört bin.

Gerade bei einem intellektuell anspruchsvollen Job machen feste, einheitliche Zeiten meiner Meinung nach überhaupt keinen Sinn. Was ist, wenn ich abends auf dem Sofa über ein Programmierproblem nachdenke? Ist das Arbeitszeit? Soll ich das abrechnen? Die Vorstellung, den Kopf nach Bedarf an- und auszuschalten, ist absurd. Auch den Zeitverlust durch den Ortswechsel finde ich überflüssig und kontraproduktiv.

Ich habe neulich irgendwo gelesen, dass man in einem Büro effektiv nur ein Drittel bis die Hälfte der Zeit wirklich "arbeitet" – das halte ich für realistisch.

Bei intellektuell anspruchsvoller Arbeit sind feste Arbeitszeiten wenig sinnvoll. Die Vorstellung, den Kopf nach Bedarf an- und auszuschalten, ist absurd. #RemoteWork #FlexibleWork

Und wo siehst du Nachteile?

Beim Verlust des persönlichen Kontaktes, wie schon beschrieben. Die soziale Seite ist genauso wichtig für die eigene Erfahrung der Arbeit wie für die Qualität der Arbeitserzeugnisse.

Digitale Kommunikation ist ein Modus des Austausches, den Leute unterschiedlich gut beherrschen. Auf solche Art und Weise Vertrauen und Zusammenhalt zu schaffen, den "Teamgeist" sozusagen, ist anspruchsvoll und nicht einfach.

Des Weiteren muss man aufpassen, dass man sich nicht selbst zu sehr ablenkt (im Web surfen, Nachrichten lesen, "Dinge erledigen"). Manchmal erfordert das Selbstdisziplin, die ich nicht immer aufbringen kann. Bei mir persönlich beobachte ich gelegentlich die Tendenz, dass ich mich selbst unter Druck setze.

Keinen festen Arbeitsrhythmus zu haben, liegt mir auf der einen Seite sehr, macht es auf der anderen Seite aber schwerer, die Stunden zu ermitteln, den ich dann aufschreibe. Aber das ist bei intellektueller Arbeit ohnehin manchmal etwas fragwürdig.

Gibt es Momente, in denen du lieber im Büro arbeiten würdest? Welche sind das?

Manchmal fällt es mir schwer, Arbeit von Privatleben zu trennen, wenn ich zum Beispiel zu Hause gerade mal keine Ruhe finde, oder das Projekt mir als unwirklich und fern erscheint. Dann mal mit meinen Kollegen im Büro zu sitzen (wie im aktuellen Projekt gerade) und sich "auszuquatschen", ist unersetzlich und fokussiert wieder, schafft ein Gemeinschaftsgefühl.

Gibt es irgendetwas, das du brauchst, um effizient arbeiten zu können, und das du nicht oder nur schwer in einem Büro umsetzen könntest?

Zeiten völliger Ungestörtheit sind für mich extrem wichtig. Allein die Gefahr, dass jetzt irgendwer hereinplatzt, kann mich schon in meiner Konzentration stören. Wenn ich gerade im „Flow“ bin, nutze ich das gerne aus und mache meine Pausen dann, wenn es passt. Und nicht, wenn die Büroroutine es vorgibt.

Büroumgebungen tendieren ja zu gewissen Tagesabläufen, denen man dann unterworfen ist, ob man will oder nicht. Zum Beispiel, dass zu einer bestimmten Zeit alle essen gehen. Darauf kann ich gut und gerne verzichten.

Welche Software und technischen Voraussetzungen sind für deine Arbeit am wichtigsten?

Versionskontrolle, IRC-Chat, E-Mail, Telefon – das sind Basics, ohne die nichts geht.

Voraussetzung für alles ist allerdings eine effiziente Arbeitsumgebung (Rechner, OS), die ich mir beliebig anpassen kann. Je freier ich darin bin, desto besser kann ich arbeiten.

Je freier ich in der Gestaltung meiner Arbeitsumgebung bin, desto besser und effizienter kann ich arbeiten. #RemoteWork #FlexibleWork

Das fängt dann schon damit an, ob die Firma bestimmte Werkzeuge voraussetzt, die mich in der Wahl meiner Arbeitsumgebung einschränken (Wird zum Beispiel eine ausschließlich webbasierte Chat-Software verwendet oder kann ich auch einen IRC-Client nutzen? Wird Software benötigt, die nur auf bestimmten Betriebssystemen läuft? Usw.). Solche technischen Freiheiten sind mir wichtig.

Kannst du dir vorstellen, wieder regelmäßig vor Ort im Büro zu arbeiten?

Ich glaube nicht.

Ich brauche die Freiheit, mir meine Arbeitszeit zum großen Teil selbst zu bestimmen und sehe auch keinen Sinn darin, hin- und herzufahren, um doch am Ende vor einem Computer zu sitzen.

Ich sehe keinen Sinn darin, hin- und herfahren, um doch am Ende vor einem Computer zu sitzen. #RemoteWork #HomeOffice

Nebenbei bin ich schon einige Zeit Teil eines Open-Source-Projektes, bei dem ich sehr viel Erfahrung in örtlich und zeitlich dezentralisierter Teamarbeit sammeln konnte. Seitdem kann ich mir, was den Softwarebereich angeht, eigentlich keine Alternative dazu vorstellen. Mit den richtigen Leuten (solchen, die diesen Arbeitsmodus ebenfalls beherrschen), ist das für mich die effektivste Art der Entwicklung, da Ort- und Zeitbegrenzungen entzerrt werden und jedes Mitglied des Teams seinen optimalen Rhythmus wählt.

Ja, mit den richtigen Leuten zu arbeiten ist ohnehin das A und O, das sehen wir genauso. Wir sind froh, dass du trotz der Entfernung dazugehörst!




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